Hast du mein neuestes gesehen?
2. - 13. Februar 2018
Als der rumänische Künstler George Roșu uns von seinem Wunsch erzählte, auf der täglichen Zeichnungen seines verstorbenen Vaters neue Werke zu schaffen, sahen wir darin eine Gelegenheit, genauer zu untersuchen, wie und warum Menschen, die sich nicht als Künstler selbst betrachten, irgendeine Art von Kunst in ihrem täglichen intimen Leben und inneren Kreisen ihrer Familien produzieren.
The Fact Finder stellt die Ergebnisse zweier solcher Personen vor, die nicht mehr unter uns sind: Emilian Roșu (1952-2016) aus Brașov, Rumänien, dessen Zeichnungen von seinem Sohn George Roșu vorgestellt und wiederholt werden, und Elsa Franke (geboren um 1900 - unbekanntes Todsjahr) aus München, Deutschland, deren Tagebuch über ihre erste Weltkriegserfahrung als Freiwilligerin in der Armee von dem Tagebuchsammler Theodor Schmidt kuratiert und veröffentlicht wurde.
Emilian Roşu zeichnerische Werke wurden in seinen letzten Lebensjahren besonders reichhaltig, als er seinen Sohn regelmäßig mit "Hast du mein neuestes gesehen?" grüßte. Diese Gestaltungen, die auf jeglichem im Haus vorhandem Material trassieren wurden, von Normalpapier bis hin zu Pralinenschachteln, werden durch eine unverfälschte Zeichnungsfreude geschürt. Sie waren vielleicht ein Weg, abwegigen Gedanken oder beiläufigen Eindrücken nachzuhängen, um Sendungsinhalte zu reagieren, innere patterns auszufinden, oder einfach nur Spaß zu haben. Eines Tages konnte er eine besondere Zeichnung nicht mehr finden, die zwei Terroristen darstellte. Da ihn das den Rest des Tages sehr störte, konnten wir davon ausgehen, dass das Zeichnen für ihn auch eine Kommunikationshandlung war. Wenn der visuelle Kommunikationsakt nicht eingelöst wurde, hätte die Zeichnung keine Chance, als vollständig angesehen werden können.
In der Ausstellung bezieht sich George Roșu durch eigene Werke auf die Zeichnungen seines Vaters. "Halbzeichnungen" des Vaters, von Kopf bis Bauch gezeichnete Tierfiguren, werden von seinem Sohn, Bauch an Schwanz, vollendet. Andere Zeichnungen werden aus dem Gedächtnis reproduziert und so gezeichnet, dass man die Arbeit des Vaters nicht leicht vom Sohn unterscheiden kann. Während andere in einem anderen Medium wie Keramik neu erstellt werden. All dies wird begleitet von George Roșu eigenen Kompositionen und Texten, die tiefere Einblick in die Beziehung zwischen Sohn und Vater und den historischen Kontext geben.
Elsa Franke war eine um 1900 in München geborene junge Frau, die sich freiwillig im Ersten Weltkrieg 1918 einsetzte, als der Krieg bereits unpopulär wurde. Sie wird als Helferin in einer Materialausgabestelle in Biela eingesetzt, wo sie zusammen mit ihrer Mitbewohnerin Lena ein Zimmer in einem Wohnheim erhält. Sie schreibt ihre Erfahrungen in einem Tagebuch nach und vermischt Beschreibungen einer kriegsgeschädigten Umgebung mit ihrer Jugendzone, in der sie nicht zu lachen vergisst, mit ihrer Mitbewohnerin in der Natur wandert, Laute spielt, alkoolische Getränke trinkt und Zigaretten raucht. Irgendwann in ihrem Tagebuch erwähnt sie über ihr eigenes Schreiben: „Es ist nicht gut [sie benutzt das Wort 'schön'], aber ich schreibe weiter, um die Zeit zu verfolgen.”
Sie wüsste nicht, dass derjenige, der ihre schriftlichen Eindrücke der Öffentlichkeit bringt, der Tagebuchsammler Theodor Schmidt, kein anderer ist als der Urgroßsohn ihres Mitbewohners in Biela. Theodor Schmidt entdeckte diese Verbindung im letzten Moment, als er bereit war, das Tagebuch weiterzuverkaufen. So hat sie nicht nur in ihrem Tagebuch eine Spur der Zeit behalten, sondern kann man sagen, sie hat es geschafft, zwischen den Generationen Solidarität bringen.
Theodor Schmidt kuratiert often Auszüge aus den Tagebüchern seiner Sammlung. Nach einer Vorführung des Tagesbuches und seiner große Sammlung, er wird bei der Austellungseröffnung private Tagebuchaufzeichnungen lesen.